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Dienstag, 16. November 2010

Das größere Übel

Gerade hat sich das deutsche Fernsehen in Geschichtsklitterung geübt und das gebührenzahlende Publikum mit einem Papst-Pius-Zweiteiler in die Verblödung gesendet.
»Hitlers Papst« (John Cornwell) soll unter allen Umständen von dem moralischen Stigma der Nazifreundlichkeit befreit werden. Da ist jede Lüge recht.

Die Führung der römisch-katholischen Kirche arbeitet seit Jahrzehnten daran, den ramponierten Ruf des Italieners Eugenio Pacelli (1876-1958) in einen Zustand zu bringen, der nicht nur die Vorwürfe als Haltlosigkeiten hinter sich lässt, sondern der zudem eine Erhebung des umstrittenen Pontifex in die vordersten Reihen der klerikalen Lichtgestalten erlaubt. So lässt Benedikt XVI. nichts unversucht, um dem von ihm verehrten Pacelli-Papst die Trümmer, die der »Stellvertreter«-Krieg hinterließ, aus dem Weg zur Seligsprechung zu räumen.
(Ingolf Bossenz 03.11.10)

Die ARD war sich nicht zu schade den von der italienischen Firma Lux Vide, die dem Vatikan nahe steht und zudem beste Beziehungen zum ultrakatholischen Orden »Opus Dei« unterhält als Dauerwerbung für die ganz rechte Katholikenfraktion auszustrahlen.

Natürlich war das Verhältnis zwischen Petersdom und Hitlers Reichskanzlei kompliziert.
Daß es so kompliziert war und auch heute noch zu heftigen Diskussionen führt, liegt daran, daß der Vatikan eben niemals öffentlich den Völkermord an den Juden verurteilt hat.

Die RKK schwieg nicht, weil sie generell so zurückhaltend gewesen wäre.
Nein, viele andere Dinge verurteilte und verurteilt sie mehr als deutlich.

Schriftsteller der Aufklärung, Philosophen, Naturwissenschaftler, Atheisten, Freigeister, Juden, Schwule, Masturbierende, Verhütungsmittel und Kommunisten traf und trifft immer wieder der Bannstrahl des Heiligen Stuhls.

Das ist das große moralische Dilemma, das auch ein noch so kämpferischer Vatikan-Pater Gumpel nicht ausräumen kann.
Anders als Hitler und die Nazis, verdammte Pius XII Hitlers Gegner mehr als deutlich. Beispielsweise in der Enzyklika „Divini Redemptoris“ (am 19. März 1937 veröffentlicht).

Die "acta apostolicae sedis", die Gesetzessammlung des Heiligen Stuhls vom Juni 1949 machte die Exkommunikation der Kommunisten und ihrer Anhänger aktenkundig und offiziell.

Die Weisung des Vatikans lautet: Kein Katholik kann Mitglied einer kommunistischen Partei sein oder sie begünstigen. Kein Katholik darf Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften veröffentlichen, lesen oder verbreiten, in denen die kommunistische Doktrin verkündet wird. Jeder Katholik, der die materialistische und antichristliche Lehre des Kommunismus verkündet, sie verteidigt oder gar verbreitet, verfällt als Abtrünniger des katholischen Glaubens der Exkommunikation.
(DER SPIEGEL)

Der unfehlbare Papst definiert „kommunistische Erzsünder“ als Intellektuelle und KP-Propagandisten, die automatisch exkommuniziert sind.

Mitglieder der katholischen Kirche blieben hingegen Adolf Hitler, Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Rudolf Hoess, Julius Streicher, Fritz Thyssen, Klaus Barbie, Leon Degrelle, Emil Hacha, Ante Pavelic, Konrad Henlein, Pierre Laval, Franco, Mussolini, oder Josef Tiso.

Das ist die Realität der Heiligen Römisch-katholischen Kirche.
Die Befreier von Ausschwitz, die Rote Armee, wurden verdammt und exkommuniziert, aber der Lagerkommandant Rudolf Hoess, sowie der Megasadist Josef Mengele blieben Mitglieder der RKK.

Nach 1945 half der Vatikan den Massenmörder des Jüdischen Volkes der Justiz zu entkommen.

Adolf Eichmann, Alois Brunner, Dr. Josef Mengele, Franz Stangl (Kommandant der Vernichtungslager Sobibór und Treblinka), Gustav Wagner (Stangls Assistent), Klaus Barbie, Edward Roschmann („Der Schlächter von Riga“), und Aribert Heim (KZ Mauthausen) sind einige der Männer, die auf Veranlassung des Papstes durch Bischof Hudal mit Vatikanischen Papieren ausgestattet vor der alliierten Justiz nach Südamerika flüchteten.

Die überlebenden Juden, die sich nach Israel retten konnten, schätzte der Vatikan weit weniger.

Es dauerte bis 1993 - fast ein halbes Jahrhundert - bis sich der Vatikan dazu herab ließ auch nur diplomatische Beziehungen zu Jerusalem aufzunehmen.

Als es schließlich 1948 trotz vatikanischer Vetos zur Gründung des Staates Israel kam, polemisierte der "Osservatore Romano": "Der moderne Zionismus ist nicht der wahre Erbe des biblischen Israel, sondern ein weltlicher Staat ... deshalb gehören das Heilige Land und seine geheiligten Stätten der Kirche, die das wahre Israel ist."
Im Sommer 1948 schwieg Papst Pius XII. wochenlang, als arabische Artillerie Jerusalem beschoß. Aber kaum hatten Israels Truppen die Jerusalemer Neustadt besetzt, erließ er eine Enzyklika ("In multiplicibus curis"), in der er für die Internationalisierung Jerusalems eintrat, da die Sicherheit der Heiligtümer unter den Juden nicht gewährleistet sei -- ganz im Sinne des heiliggesprochenen Papstes Pius X.: "Es ist nicht angenehm, daß die Türken unsere Heiligtümer besitzen, aber die Juden in der Erlangung unserer heiligen Stätten zu begünstigen, das können wir nicht."
Im Mai 1949 wiegelte der Vatikan einige katholische Staaten gegen die Aufnahme Israels in die Uno auf, "weil das Land den vollen Internationalisierungsplan nicht durchgeführt hat". Daß auch Jordanien -- wie damals alle arabischen Staaten -- die Internationalisierung Jerusalems kategorisch ablehnte, kritisierte der Papst nicht, obwohl mehr als 90 Prozent aller heiligen Stätten Jerusalems in der Hand der Jordanier waren.
Gebete für die "treulosen Juden".
Und die Tatsache, daß die Juden die einzigen Pilger waren, die 19 Jahre lang ihre heiligen Stätten nicht besuchen konnten, überging der Vatikan mit Schweigen. Auch unter Pauls Regierung war die Kurie stets darauf bedacht, die Araber auf Kosten Israels zu hofieren. Der Staat Israel wird vom Vatikan noch immer nicht offiziell anerkannt. Als der Papst 1964 zehn Stunden in Israel weilte, vermied er für das israelische Staatsoberhaupt die Anrede "Herr Präsident".

(DER SPIEGEL 11.11.1974)

Reguläre diplomatische Beziehungen zu Russland, dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion nahm der Vatikan erst im Dezember 2009 (sic!) auf.

Wie auch immer die Kurienkardinäle wirklich über Hitler, den Holocaust, die Juden, den Kommunismus, Russland und Deutschland denken mögen; mit den Tätern des Massenmordes an den Juden einigte sich der Vatikan ganz schnell. 1951 nahm der Vatikan diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland auf und eröffnete eine Apostolische Nuntiatur in Bad Godesberg.

Die Auschwitz-Befreier und die Opfer selbst waren weit weniger angesehen.

Der große und wichtigste Freund Israels ist heutzutage eindeutig die USA; auch wenn die Beziehungen Jerusalems zum Weißen Haus unter Obama und insbesondere seinem Ex-Stabschef Rahm Emanuel zuletzt ganz erheblich abkühlten.

Bei der Abwägung „Nazis oder Kommunisten; was ist schlimmer?“ kamen die USA allerdings zu ähnlichen Schlüssen wie der Vatikan.
Nazi zu sein, oder gewesen zu sein, war kein besonderes Problem.
Schlimm sind nur Kommunisten.
Über 500 Top-Nazis nahm Washington auf und versteckte sie vor der Justiz, während sie gleichzeitig öffentlichkeitswirksam eben jene Justiz in Nürnberg verkörperten.

Klaus Barbie, Reinhard Gehlen, Wernher von Braun: Die USA profitierten von Experten und Tätern des Dritten Reichs. Hauptsache, die Deutschen waren stramme Antikommunisten - dann interessierte deren Vergangenheit kaum.
(N. Richter und W. Winkler 16.11.10)

Ein jetzt veröffentlichter Bericht des Office of Special Investigations (OSI) im US-Justizministerium zeigt eine enorme Flexibilität Amerikas im Umgang mit deutschen Nazis auf.
Sie waren zwar irgendwie bähbäh, aber noch lange nicht so bähbäh wie die Kommunisten und wurden dementsprechend auch gerne als Kämpfer gegen Stalin eingesetzt - in dem Kampf hatten sie sich nach US-Ansicht im WK-II bewährt.
Der 600 Seiten dicke Bericht offenbart dramatische moralische Mängel - wenn sie nützlich waren, konnten KZ-Massenmörder gemütlich und unbehelligt von Justiz und Politik ihren Lebensabend in den USA vergolden.
Das Fazit des OSI-Berichts: "Amerika, das sich dafür rühmte, ein sicherer Hafen für die Verfolgten zu sein, wurde - in kleinerem Maße - auch ein sicherer Hafen für die Verfolger." Die USA hätten teilweise diplomatischen Streit in Kauf genommen, um mit Naziverbrechern zusammenarbeiten zu können.

Die Rechnung damals war einfach: Im Kampf gegen die rote Gefahr ist ein Demokrat zusammen mit einem Alt-Nazi stärker als ohne ihn. Verbrecher können nützlich sein, auch für freiheitliche, demokratische Staaten. Der CIA-Experte Harry Rositzke sagte einmal: "Es war unbedingt notwendig, dass wir jeden Schweinehund verwendeten. Hauptsache, er war Antikommunist." Ähnlich äußerte sich der amerikanische Präsident Harry Truman, als er sagte: "Mich interessiert nicht, ob er mit Ziegen fickt. Wenn er uns hilft, benutzen wir ihn. Kaum weniger großzügig verhielten sich die Amerikaner bei den sogenannten Raketen-Experten um Wernher von Braun und Walter Dornberger. Dass sie für den Bau der V-2 Zwangsarbeiter eingesetzt hatten, von denen viele starben, wog gering - gemessen an ihren erwiesenen Fähigkeiten in modernster Raketentechnik. Braun wurde erst nach seiner Vergangenheit befragt, als er 1969 John F. Kennedys Versprechen eingelöst hatte, den ersten Amerikaner auf den Mond zu bringen. Eine strafrechtliche Verfolgung des ehemaligen SS-Sturmbannführers kam für die Amerikaner nicht in Frage. Er starb 1977.
(N. Richter und W. Winkler 16.11.10)

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