TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Dienstag, 24. August 2010

Ein netter Sozi?

Beinahe hätte ich heute „Deutsche Geschäftsmodelle - Teil VI“ hier hingeknallt.
Einfach nicht zu fassen, wie devot sich Brüderle und Westerwelle bei den großen vier Atomkonzernen mit der Lizenz zum Gelddrucken einschleimen.

Ich kann das aber selbst nicht mehr hören und schreibe daher lieber etwas über meine Partei.
SPD-Politiker sind doch im Allgemeinen viel netter.
Es ist doch rührend, wie selbst Personen an der allerobersten Spitze - zum Beispiel die ehemaligen Vizekanzler Müntefering und Steinmeier sich lieber um ihre erkrankten Ehefrauen kümmer(te)n, statt sich im Licht der Medien zu sonnen.
Selbstverständlich ist das nicht - man denke nur an Hannelore Kohl, die sich im Sommer 2001 mutterseelenallein und zermürbt von ihrer Krankheit in ihrem Haus umbrachte.
Ehegatte Helmut, seit fast drei Jahren nicht mehr Kanzler, hielt es aber nicht für nötig deshalb sein Berliner Politikerdasein zu unterbrechen.

Im Zuge der Diskussion um Münteferings Rücktritt 2007 (um sich seiner sterbenden Frau Ankepetra zu widmen) gab es einige giftige Töne.
Das sei eine Flucht vor der Verantwortung.
Wolfgang Thierse giftete gegen seinen Intimfeind* Kohl, daß es schließlich auch „nicht ideal“ sei, seine Frau „allein im Dunkeln sitzen zu lassen.“
Da war aber die Empörung groß und Thierse mußte richtig zu Kreuze kriechen.
Nun, man sagt das vielleicht nicht, aber sprachlich war das schon sehr zutreffend.

Das mag ich an Wolfgang Thierse.
Er ist studierter Germanist und heutzutage einer der wenigen Politiker, die sich wirklich sehr gut ausdrücken können.
Ich empfehle jedem sich mal bewußt ein Interview mit ihm anzuhören und auf Thierses Sprache zu achten. Das ist ein geschliffenes, korrektes und wohlformuliertes Deutsch.
Fast immer druckreif. Eine echte Wohltat für empfindliche Ohren, wenn man schlimme Sprachpanscher und schlampig formulierende Plapperer wie Kohl oder Merkel damit vergleicht.

Thierse ist dazu auch ein engagierter Bürgerrechtler, der sich für die Armen und Schwachen einsetzt. Unprätentiös ist er immer in seinem Kiez wohnen geblieben und hat sich nie abgehoben gegeben.
Wenn er doch bloß mal zum Friseur ginge und nicht immer wie der Yeti aussähe. Das macht es den CDU’lern scheinbar einfacher ihren Aggressionen gegen den populären Sozi freien Lauf zu lassen.
Das konnte man erleben, als der Bundestagsvizepräsident am 1. Mai 2010 an einer Sitzblockade gegen eine Neonazi-Demonstration teilnahm.
Der Nazi-Spuk wurde zwar erfolgreich verhindert - das hatte der Staat nicht geschafft - aber die Unions-Granden gerieten in Rage.

„Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft, ob es einen Anfangsverdacht auf eine Straftat gibt, wie ein Sprecher der Behörde am Montag sagte. Nicht nur juristisch, auch politisch ist der Fall nicht abgehakt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warf dem SPD-Politiker "Arroganz gegenüber dem Staat" vor.“
(STERN 3. Mai 2010)

"Der Herr Thierse wollte, glaube ich, erneut mal wieder öffentliche Beachtung haben.“ Dies gehe aber nicht auf Kosten der Polizei. "Niemand steht über dem Gesetz." Ein Bundestagsvizepräsident müsse sich im Gegenteil vorbildlich verhalten.
(Soweit De Maizière, der bisher noch nie mir irgendwelchen Erfolgen gegen den Rechtsextremismus von sich reden machte.)

Der vorbildliche Redner und Bürgerrechtlicher Thierse hat leider auch eine dunkle Seite - und damit meine ich nicht den grotesken Zottelbart.

Er ist überzeugter Katholik und auf Männer von der Pädo-Fraktion in den roten Kleidern läßt er nichts kommen.
Thierse unterstützte das berüchtigte „Pro-Reli“-Volksbegehren in Berlin, obwohl die Initiatoren reichlich logen und falsche, diffamierende Behauptungen ausstreuten.
Die Initiative ging so hanebüchen vor, daß sogar eine Gruppe „Christen pro Ethik“ entstand, weil sie die dreisten Lügen der „Pro-Reli“ -Bande, die Schüler separieren und ausgrenzen wollte, nicht unterstützen mochten.

Das ist eben immer dasselbe mit Christen - auch wenn die noch so sympathisch erscheinen mögen- irgendwann kommt doch ihre hässliche Fratze zum Vorscheinen.

Thierse zeigte sein wahres Bürgerrechtsgesicht spätestens als sich die lobenswerte Initiative „Laizisten in der SPD“ zusammenfand.
Einige hundert Sozis wollen im Oktober 2010 einen offiziellen innerparteilichen Arbeitskreis gründen.

Die neue Gruppe hat die Unterstützung mehrerer Bundestagsabgeordneter, darunter sind Carsten Schneider aus Erfurt, der frühere Staatsminister Rolf Schwanitz und die rheinland-pfälzische Abgeordnete Doris Barnett. Auch der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig und die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorstandssprecherin der KfW-Bankengruppe, Ingrid Matthäus-Maier, haben sich angeschlossen.

Gründer Nils Opitz-Leifheit begann vor einem Jahr Interessierte zu sammeln:

Hallo
wir möchten diejenigen vertreten, denen der Einfluss der Kirchen im Staat zu weit geht, die eine wirkliche Trennung von Staat und Kirchen wollen und wir möchten mit unserer Gruppe darauf aufmerksam machen, dass mittlerweile der deutlich größte Teil unserer Gesellschaft konfessionsfrei ist (34% Konfessionsfrei, je knapp 30% Protestanten und Katholiken).

Diese Gruppe hat und findet in der SPD zunehmend weniger Resonanz und Ansprechpartner, was aber schon deshalb fatal ist, weil den beiden Großkirchen alljährlich über 200.000 Menschen durch Austritt den Rücken kehren, hinzu kommt der natürlich Schwund durch Überalterung. Deshalb sollte man die Konfessionsfreien (schon unabhängig von politischen Inhalten) nicht "links" liegen lassen. […] Angesichts der wachsenden Zahl konfessionsloser Menschen in Deutschland sollte in einer Partei wie der SPD, die maßgeblich in den Ideen der Aufklärung und des Sozialismus wurzelt, sich eine Interessengruppe zusammenfinden und artikulieren, die als Gegengewicht zu den verstärkten christlichen Einflussbemühungen für eine klarere Trennung von Staat und Kirche eintritt.
Religiosität in jedweder Form ist in ihrem Bestand und in ihren Ausdrucksformen als selbstverständliches Menschenrecht zu achten und zu respektieren. Ihrem Einfluss auf staatliches Handeln und ihren Versuchen, auch Nichtgläubige und Konfessionslose nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen, muss aber in dem Maße entgegengetreten werden, wie diese Versuche in jüngerer Zeit zunehmen.
Ob es sich um eine Aufnahme der biblischen Schöpfungslehre in den Biologieunterricht handelt, die Privilegierung des christlichen Religionsunterrichtes gegenüber dem Fach Ethik, die Aufnahme von christlichen Bekenntnissen und Gottesformeln in staatliche Gesetze, oder auch den Einfluss der Religionsgemeinschaften und ihrer Mitglieder in der SPD: Ein klares Bekenntnis zur Trennung von Staat und Kirche aus den Reihen der SPD bleibt meist aus, ist halbherzig oder wird gar durch christlich engagierte Sozialdemokraten konterkariert.

Die Positionen des künftigen Arbeitskreises sind allesamt lobenswert.

Ich hoffe, daß ich die Umsetzung noch erleben werde.
Dabei werden bloße Selbstverständlichkeiten angemahnt, die ohnehin laut Grundgesetz geboten sind.
Gesetze und öffentlicher Raum müssen neutral bleiben. Neutrales öffentliches Bildungswesen. Abschaffung von Rechtsprivilegien, Steuerprivilegien und Finanzprivilegien der Kirchen. Gleiche Mitarbeiterrechte. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist kein Kirchenfunk, etc.

Das ist zu viel für Thierse.
Er, der Sprecher des Arbeitskreises "Christinnen und Christen in der SPD" möchte offenbar lieber einen Kirchenstaat à la Vatikan - auch wenn das mit dem Grundgesetz nicht zu machen ist.
Und mit der germanistischen Contenance ist es auch vorbei.
Nicht nur, daß er die Positionen der Laizisten inhaltlich ablehnt; nein, ginge es nach Thierse dürften die sich noich nicht mal zum diskutieren treffen.
Rede - und Gedankenfreiheit auf Wiedersehen!

"Das Programm der Laizisten ist das Programm eines kämpferischen Atheismus", sagte er dem Abendblatt. "Ich warne die SPD davor, zu einer atheistischen und antireligiösen Partei zu werden."
Thierse […] sieht die Gefahr einer "künstlichen Distanz" durch das Laizisten-Programm. "Die SPD hat mit den beiden großen Kirchen immer in einem freundlich-sachlichen Verhältnis zusammengearbeitet. Dieses Verhältnis sollte unbedingt beibehalten werden."
(Nina Paulsen. 17.08.10)


Da biegen sich mir die Fußnägel hoch!
Wie kann man nur so einen Unsinn reden?
Aber so ist das in einer pluralistischen Partei - da gibt es viele Meinungen und viel Diskussionsbedarf. Das muß man aushalten.
Vielleicht begreift das ja auch irgendwann ein Herr Thierse.


* (Kohl zuvor über Thierse: „Der schlimmste Parlamentspräsident seit Göring“)

5 Kommentare:

Birne Helene hat gesagt…

Als ich die Überschrift las, dache ich, jetzt kommt eine Kritik an Jürgen von Mager, alias Adolf Tegtmeier, alias Thilo Sarrazin.
Stattdessen lese ich eine positive Bewertung der PR-Masche von Herrn Steinmeier.

Ich möchte die Spendenbereitschaft von Herrn Steinmeier keineswegs schmälern, finde es sogar als beonders ehrenvoll und charakterstark, dass er so handelt.
Aber muss das gleich dermassen in den Leitmedien breitgetreten werden, nur, damit es die SPD ein paar Prozentpunkte hinter dem Komma nach oben trägt?

Als ich meine Mutter über Jahre im Altersheim vesorgte, standen nicht ständig Fernsehkameras vor der Tür.
(Eigentlich gar nicht.)

Gäbe es die Medien nicht, wüßte ich auch nicht, dass ein Heinz Buschkowsky sich aus PR-Sucht und Medienversessenheit gestern nicht zu schade dafür war, in dem Arsch- und Titten-Magazin von Sat1 "Frühstücksfernsehen" als Gast aufzutreten.

jakebaby hat gesagt…

@Bü Ha .. (sorry, .. it was too tempting)
Ich habe selbst auch keinerlei Tabus im Hirn, was die PR-Bereitschaft von Politikern und ahnlich moralischer Unterschicht angeht.
Und ich kann Steinmeier nun wirklich nicht ausstehen.

Aber in diesem Fall konnte er seine Zwangspause wohl kaum kurzfristiger, korrekter und schnoerkelloser Ansagen und hat auch ausdruecklichst vor jeglichst'journalistischer Anteilnahme distanziert.
Da kriegt der Franky das erstemal all meine Liebe, Respekt und beste Wuensche auf den Weg.

Sollte er das nachtraeglich PR-maessig ausschlachten, werd ich ihm, wie schon zuvor, all mein Gift geben.
So Long.
..
Tammox
Haettest du dir den Lob auf Wolfgang Thierse nicht sparen koennen, wohlwissend der unverzueglichen Egalisierung?

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Birne Helene, @ Jake!

Man kann ja nun Steinmeier viel vorwerfen, aber diese Sache nun nicht!

Für einen normalen Menschen ist das einen Selbstverständlichkeit so zu handeln, wenn ein Familienmitglied sterbenskrank ist und Steinmeier ist offenbar diesbezüglich normal und nicht größenwahnsinnig.
Er selbst hat das auch nicht an die große Glocke gehängt, sondern im Gegenteil früher die Erkrankung seiner Frau verschwiegen und die jetzige Auszeit als Fraktionschef nur ganz kurz und knapp erklärt.

Daß nun die Yellowpress eine rührige Herzschmerzgeschichte daraus macht, war zu erwarten.
Als Schäuble im Rollstuhl landete, liebten ihn plötzlich auch alle, obwohl er nun einer der größten Lügner überhaupt ist und persönlich eine echte Pest zu sein scheint.
Das sind normale Mitleidseffekte, die dann plötzlich in der Presse entstehen - dafür kann aber Steinmeiner nichts und diesbezüglich muß ich ja sogar Schäuble in Schutz nehmen (Schock schwere Not!)

Wie die Boulevardpresse das aufzieht ist natürlich zum KOTZEN - ganz schlimm z.B, auch die Mopo heute. Aber what else is new?

Noch mal deutlich: Steinmeiner habe ich GAR NICHT bewertet. Das ist seine persönliche Sache und das ist auch OK so. IHM kann man da keine Profilierungsabsicht unterstellen. Das macht Steinmeier sowieso sehr wenig. Was man innerhalb eines Jahres über den an Privatkrams zu lesen bekommt, schaffen Guttenberg oder Westerwelle in einer Woche. Die haben ja schon eigene Rubriken in der BUNTEn.

Und Jake - ja das Thierse-Loben war irgendwie überflüssig. Sehe ich ein.

Aber weil ich so grundgütig und ausgewogen und objektiv bin (!!!!!!), wollte ich eben alle Seiten beleuchten!
;)

Und es stimmt schon - wenn Thierse gerade jemanden ankackt, den ich auch ankackenswert finde, ist das sehr vergnüglich!
Das ist der Henryk M. Broder-Effekt: Wenn der sich in einer Talkshow irgendeinen Bischof vorknöpft, lache ich mir einen und freue mich wie er den fertig macht. Scheißt Broder aber gegen Linke im Allgemeinen oder Kriegsgegner im Besonderen, finde ich das schon weniger amüsant.

Thierse sollte eigentlich auch nur eine „Christ des Tages“-Keule abbekommen - aber das konnte ich dann doch nicht tun - denn sooooooooooo durch und durch scheiße, wie die anderen, denen ich das Etikett aufgeklebt habe, ist er nun doch wieder nicht.

Puhh - heute irgendwie Sabbelwasser in den Fingern… ich kann nicht aufhören zu tippen….bitte, erschießt mich mal jemand?
LGT

Anonym hat gesagt…

Es ist geradezu schäbig, wie die Qualitätsmedien derzeit die Nierenspende von Frank-Walter Steinmeier (SPD) an seine Frau dazu missbrauchen wollen, ihn gegen jegliche Kritik an seiner neoliberalen und somit menschenverachtenden Politik zu schützen. Für die SPD wäre es jedenfalls besser gewesen, er hätte sich aus Einsicht zurückgezogen ohne jemals wiederzukommen. So aber wird er uns als Ideologie-Zombie von Gerhard Schröders Gnaden erhalten bleiben und die SPD weiter in den Abgrund führen.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Naja, im Moment geht es ja für die SPD stetig aufwärts.
FDP und CDU gucken in den Abgrund.

LGT